Besser schlafen beginnt auf dem Frühstücksteller
Viele Menschen denken erst an ihren Schlaf, wenn die Augenlider schwer werden und sie im Bett zur Ruhe kommen möchten. Dabei beginnt eine gute Nachtruhe nicht am Abend – sondern schon beim ersten Bissen am Morgen. Was wir im Laufe des Tages essen, wirkt sich tiefgreifend auf unsere innere Uhr, unsere Hormone und letztlich auf unsere Schlafqualität aus.
Diese Erkenntnis ist kein Wellnesstipp, sondern wissenschaftlich fundiert – unter anderem durch die Arbeit von Dr. Marie-Pierre St-Onge, einer führenden Schlaf- und Ernährungsexpertin an der Columbia University. In ihrem Buch „Eat Better, Sleep Better“ verbindet sie ernährungswissenschaftliche Erkenntnisse mit alltagstauglichen Rezepten und einem 28-Tage-Plan für besseren Schlaf.
Melatonin, Tryptophan und die stille Arbeit der Nährstoffe
Im Mittelpunkt steht das Hormon Melatonin – unser natürlicher Taktgeber für Tag und Nacht. Es wird vom Körper in den Abendstunden produziert, wenn Dunkelheit einsetzt und signalisiert: Es ist Zeit, zur Ruhe zu kommen. Doch um Melatonin überhaupt bilden zu können, braucht der Körper eine ganz bestimmte Aminosäure: Tryptophan.
Und hier kommt die Ernährung ins Spiel. Tryptophan kann vom Körper nicht selbst hergestellt werden – es muss über Lebensmittel zugeführt werden. Besonders proteinreiche, pflanzliche Quellen wie Hülsenfrüchte, Nüsse oder Vollkorngetreide sind dafür besonders geeignet. Aber: Es geht nicht darum, kurz vor dem Einschlafen ein paar Cashews zu knabbern. Vielmehr ist es die Summe aller Mahlzeiten, die zählt – und wie sie zusammenspielen.
Ganzheitlich essen statt punktuell optimieren
Die Ernährungswissenschaftlerin Dr. Erica Jansen bringt es auf den Punkt: Es gibt nicht die eine „Schlaf-Zutat“, die alles verändert. Es geht um eine insgesamt schlaffördernde Ernährung – eine Essweise, die über den Tag hinweg Ruhe ins System bringt, statt Unruhe zu säen.
Eine pflanzenbasierte, abwechslungsreiche und ballaststoffreiche Kost mit wenig Zucker und wenig gesättigten Fetten bildet dabei das Fundament. Vollkorn, Gemüse, Hülsenfrüchte wie Linsen und Kichererbsen, Tofu, Samen, Nüsse – all das sind kleine Bausteine für erholsame Nächte.
Die richtigen Nährstoffe zur richtigen Zeit
Bestimmte Mikronährstoffe helfen, die Wirkung von Tryptophan zu unterstützen oder den Melatonin-Spiegel zu stabilisieren. Dazu gehören:
– Magnesium in Chiasamen, Cashewkernen und Naturjoghurt
– Zink in Mandeln, Austern und Weizenkleie
– B-Vitamine in Bananen, Kichererbsen und Thunfisch
– Folat in Brokkoli, Spinat und Linsen
Eine besonders effektive Ernährungsform: die mediterrane Küche. Studien belegen, dass Menschen, die sich mediterran ernähren – mit viel Fisch, Olivenöl, Gemüse und Hülsenfrüchten – seltener unter Schlafstörungen leiden und im Schnitt länger schlafen.
Warum Nahrungsergänzung nicht der Königsweg ist
Zwar greifen viele bei Schlafproblemen zu Melatoninpräparaten – doch laut Dr. St-Onge ist das oft keine nachhaltige Lösung. Nahrungsergänzungsmittel enthalten meist isolierte Substanzen in unklarer Dosierung. Viele Nährstoffe entfalten ihre Wirkung jedoch erst im Zusammenspiel mit anderen – genau wie sie in natürlichen Lebensmitteln vorkommen.
„Nährstoffe aus Lebensmitteln sind nicht nur effizienter, sondern auch sicherer“, betont sie. Ein selbstgekochtes Linsencurry mit Spinat und Vollkornreis wirkt auf vielen Ebenen – Nahrung, Seele, Schlafqualität.
Alltagsnah und umsetzbar – kleine Schritte mit großer Wirkung
Wie fängt man am besten an? Diätologin Alexandra Babcock empfiehlt: Wähle eine Mahlzeit am Tag, bei der du ansetzen willst. Für viele ist das das Frühstück – oft vernachlässigt oder voller leerer Kalorien.
Warum also nicht eine Portion Gemüse, Obst oder Hülsenfrüchte integrieren? Ein herzhaftes Porridge mit Bohnen und pochiertem Ei, ein Smoothie mit Haferflocken und Spinat oder ein belegtes Vollkornbrot mit Hummus und Avocado – der Tag beginnt auf leise, aber kraftvolle Weise.
Für das Mittagessen empfiehlt Babcock Salate mit gerösteten Kichererbsen. Sie sind nicht nur nahrhaft, sondern lassen sich würzen, rösten und abwechslungsreich kombinieren.
Schlaf als Spiegel des Lebensstils
Was oft mit einem besseren Frühstück beginnt, zieht Kreise: Mehr Energie am Tag führt zu mehr Bewegung, mehr Bewegung zu besserem Schlaf – ein Kreislauf in die richtige Richtung.
Doch bei ernsthaften Schlafproblemen reicht Ernährung allein nicht aus. Wer unter Insomnie leidet oder über Monate schlecht schläft, sollte unbedingt medizinische Hilfe in Anspruch nehmen.
FAQ
Welche Lebensmittel fördern den Schlaf?
Besonders hilfreich sind Hülsenfrüchte, Nüsse, Samen, Vollkornprodukte, Blattgemüse und Fisch. Sie liefern Tryptophan und wichtige Mikronährstoffe wie Magnesium, Zink und B-Vitamine.
Kann man Melatonin einfach als Nahrungsergänzung einnehmen?
Das ist möglich, aber laut Forschung nicht ideal. Natürliche Nahrungsquellen bieten bessere Bioverfügbarkeit und wirken oft in Kombination effizienter als isolierte Stoffe aus Kapseln.
Wie schnell wirkt eine bessere Ernährung auf den Schlaf?
Viele Menschen spüren innerhalb weniger Tage oder Wochen erste Veränderungen – besonders dann, wenn sie zuvor nährstoffarm gegessen haben. Der Schlüssel liegt in der Regelmäßigkeit.
Reicht Ernährung allein bei Schlafstörungen?
Nicht immer. Wer ernsthafte oder langanhaltende Schlafprobleme hat, sollte zusätzlich ärztlichen Rat einholen. Ernährung ist ein Teil eines ganzheitlichen Ansatzes, aber kein Ersatz für Diagnose und Behandlung.
Was ist ein guter erster Schritt?
Starte mit einer nährstoffreichen Frühstücksmahlzeit: Haferflocken, Bohnen, Ei, Obst oder Gemüse. Kleine, gezielte Änderungen führen oft zu größeren Umstellungen – und langfristig zu besserem Schlaf.
Informationsquelle: who . int