Start Frauengesundheit Lebensmittel ohne Chemie: FDA fordert Umstieg auf natürliche Farben in US-Produkten

Lebensmittel ohne Chemie: FDA fordert Umstieg auf natürliche Farben in US-Produkten

22

Raus mit dem Erdöl – Die USA wollen künstliche Lebensmittelfarben ersetzen

In der farbenfrohen Welt der Frühstückscerealien, Limonaden und Fruchtgummis scheint alles strahlend und leuchtend. Doch hinter dieser bunten Oberfläche verbirgt sich zunehmend ein gesundheitliches und politisches Problem: künstliche Lebensmittelfarben. Nun soll ein grundlegender Kurswechsel kommen. Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde (FDA) will – gemeinsam mit der Industrie – synthetische Farbstoffe langfristig aus dem Lebensmittelangebot der USA verbannen.

Ein freiwilliger Umbau mit großer Wirkung

FDA-Kommissar Dr. Marty Makary sprach in einer öffentlichen Mitteilung davon, dass die Behörde die Hersteller „ermutigen“ wolle, freiwillig auf petrochemisch gewonnene Farbstoffe zu verzichten – vor allem aus Rücksicht auf die Gesundheit von Kindern. Die aktuelle Debatte dreht sich dabei nicht nur um das Wohl einzelner Konsument:innen, sondern auch um eine neue Verantwortung der Industrie gegenüber Gesellschaft und Umwelt.

Betroffen sind unter anderem Rot Nr. 40, Gelb Nr. 5 und 6, Blau Nr. 1 und 2 sowie Grün Nr. 3 – Farbstoffe, die in den USA jahrzehntelang Standard waren. Viele von ihnen stammen aus Erdölverbindungen und stehen zunehmend in Verdacht, Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern zu fördern, allergische Reaktionen auszulösen oder sogar krebserregend zu wirken.

Die neue Farbe der Zukunft: Natürlich

Die Alternative? Natürliche Farbstoffe, gewonnen aus Pflanzen, Mineralien oder – in manchen Fällen – aus tierischen Quellen. Bereits jetzt sind sie teilweise zugelassen und finden sich in einigen Reformprodukten. Zu den bekanntesten zählen Karmin (Cochenille-Extrakt), Annatto aus tropischen Samen, Rote-Bete-Extrakte, Spirulina oder auch Gewürze wie Kurkuma und Safran.

Der Farbstoff Karmin zum Beispiel stammt aus getrockneten, zermahlenen weiblichen Cochenille-Läusen – eine jahrhundertealte Technik, die schon die Inka beherrschten. Er liefert ein intensives Rot, das kaum verblasst, jedoch bei manchen Menschen allergische Reaktionen hervorrufen kann – von leichten Hautausschlägen bis zu ernsthaften Symptomen. Daher besteht in den USA Kennzeichnungspflicht.

Politischer Rückenwind: Kalifornien und West Virginia gehen voran

Parallel zum Vorstoß der FDA haben auch mehrere US-Bundesstaaten gesetzliche Maßnahmen beschlossen. Kalifornien verbot bereits im Jahr 2023 Rot Nr. 3, gefolgt von weiteren Farbstoffen, besonders in Lebensmitteln für Kinder und in Schulkantinen. West Virginia ging im März 2024 noch einen Schritt weiter: Sie untersagten gleich sieben künstliche Farbstoffe und zwei Konservierungsmittel – ein bislang beispielloser Schritt.

Diese Entwicklungen sind das Ergebnis langjähriger Diskussionen über Verbraucherschutz, Gesundheit und die Rolle synthetischer Zusatzstoffe. Auch der öffentliche Druck wächst: Immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher fordern transparente, natürliche und nachvollziehbare Zutatenlisten.

Ein langer Weg zur Umstellung

Trotz des gesellschaftlichen und regulatorischen Rückenwinds ist der Wechsel zu natürlichen Farbstoffen für viele Hersteller eine große Herausforderung. Denn synthetische Farben sind nicht nur günstiger, sondern auch technisch zuverlässiger: Sie behalten ihre Farbe über lange Zeit, reagieren nicht empfindlich auf Licht oder andere Inhaltsstoffe und sind universell einsetzbar.

Im Gegensatz dazu sind viele natürliche Farbstoffe instabil, ändern ihre Farbe je nach pH-Wert, Temperatur oder Produktform. Zudem gibt es keinen universellen Naturfarbstoff, der überall einsetzbar wäre. Während ein künstlicher Farbton zehn Produkte gleichzeitig bedienen kann, braucht es in der Natur möglicherweise zehn verschiedene Quellen.

Engpässe am Ursprung: Produktion, Verfügbarkeit, Preis

Auch logistisch stellt der Umstieg große Anforderungen. Firmen wie Sensient Technologies, ein führender Hersteller natürlicher Farbstoffe, sprechen von Monaten bis zu einem Jahr für die Umstellung nur eines einzelnen Produkts. Und die Rohstoffe sind knapp: Für ein Kilogramm Cochenille-Farbe werden rund 70.000 Insekten benötigt. Rote-Bete-Farbe, Gartenienblau oder Kurkuma müssen zuerst geerntet, verarbeitet und stabilisiert werden – ein Aufwand, der Zeit, Fläche und Geld kostet.

Weniger bunt, aber gesünder?

Was bedeutet das für die Konsument:innen? Möglicherweise weniger leuchtende Farben im Joghurt oder in Bonbons – aber dafür Produkte, die weniger belastet, natürlicher und nachvollziehbarer sind. Einige Hersteller haben bereits Erfahrungen mit dem Umstieg gemacht – teils mit Beschwerden wegen vermeintlich verändertem Geschmack. Doch Fachleute wie Prof. Marion Nestle halten diese Eindrücke oft für psychologische Effekte. „Der Geschmack ändert sich kaum, wenn nur die Farbe wechselt“, sagt sie. „Das ist meist reine Kopfsache.“

Fazit: Der Wandel hat begonnen

Die Entscheidung der FDA markiert einen kulturellen Wendepunkt in der amerikanischen Lebensmittelpolitik. Was vor wenigen Jahren noch als Nische galt, wird nun zur Norm: Weg von künstlich, hin zu natürlich – auch bei Farben. Die Industrie steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Er ist komplex, teuer und logistisch anspruchsvoll. Aber er ist notwendig – für das Vertrauen der Verbraucher, die Gesundheit der Kinder und die Zukunft der Ernährung.