Start Geschichte der Allergien Die Verbreitung der klinischen Allergologie weltweit

Die Verbreitung der klinischen Allergologie weltweit

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Die Verbreitung der klinischen Allergologie weltweit
In den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen veränderten sich Bedeutung und Erscheinungsform der klinischen Allergologie besonders in den westlichen Industrieländern stark. 1920 kam John Freeman in einer der Royal Society of Medicin (Königliche Gesellschaft für Medizin) in London vorgelegten ausführlichen Zusammenfassung des zeitgenössischen Wissens über Heuschnupfen, Asthma, Nahrungsmittelidiosynkrasien und einer ganzen Reihe verwandter Leiden zu dem Schluss, es wäre „übertrieben zu behaupten, bei der Erforschung dieser toxischen Idiopathien handele es sich um ein neues medizinisches Gebiet“, aber er sei „zuversichtlich, dass sie ein sehr großes Gebiet der alten Medizin aus einem ganz neuen Blickwinkel erhellen wird“. In mancher Hinsicht können Freemans Ansichten als eine vorausschauende Warnung vor den Schwierigkeiten aufgefasst werden, denen sich Allergologen bald gegenüber sehen sollten, als sie ihrer im Entstehen begriffenen Disziplin Anerkennung und den Status eines Spezialgebietes zukommen lassen wollten, und als sie bei einer Reihe von organunspezifischen immunologischen Krankheiten mit den Ärzten für Kinder-, Haut- und innere Medizin um die Zuständigkeit kämpften.

Andererseits scheint Freeman jedoch den Zeitpunkt falsch eingeschätzt zu haben. Denn genau zu dieser Zeit schien die Allergologie tatsächlich zu einem neuen medizinischen Feld zu werden, das eine besondere Behandlungsmethode anwandte und sich auf eine Gruppe von Leiden konzentrierte, die auf immer größeres Interesse in der Öffentlichkeit und bei Spezialisten stieß.

In Nordamerika folgte auf die im späten 19. Jahrhundert gegründeten Heuschnupfengesellschaften im frühen 20. Jahrhundert die Errichtung von Heuschnupfenkliniken. Die erste wurde 1916 von Isaac Chandler Walker in Boston eröffnet, zwei Jahre später gefolgt von Robert Cookes Klinik in New York. Im Jahre 1935 waren 35 Krankenhäuser, die sich der Behandlung allergischer Krankheiten widmeten und in einigen Fällen auch Medizinstudenten ausbildeten, von einer gemeinsamen, aus Mitgliedern der beiden amerikanischen Allergieberufsverbände bestehenden Kommission anerkannt worden. Diese Verbände waren in den 1920er-Jahren als Antwort auf das steigende Bedürfnis nach einem Forum, in dem Allergieärzte ihre medizinischen Probleme diskutierten konnten, gegründet worden. Die Western Society for the Study of Hay Fever, Asthma and Allergie Diseases (Westliche Gesellschaft zur Erforschung von Heuschnupfen, Asthma und allergischer Krankheiten) wurde 1923 von Grant I. Selfridge (1864-1951), Albert H. Rowe (1889-1970) und George Piness (1891-1970) gegründet.

Sie wurde von Klinikern dominiert, die ihr Spezialgebiet bekannt machen wollten, und hielt im Juni desselben Jahres in San Francisco eine erste Konferenz ab. Zwei Jahre später führte die (Eastern) Society for the Study of Asthma and Allied Conditions ([Östliche] Gesellschaft zur Erforschung von Asthma und verwandter Leiden) zur Einweihung ihr Jahrestreffen in Washington, DC, durch. Die Eastern Society, die sich eines akademischeren und elitäreren Mitgliederstammes rühmen konnte als ihr westliches Gegenstück, war 1924 von einer kleinen Gruppe New Yorker Ärzte offiziell gegründet worden, unter anderem von Robert Cooke, Francis M. Rackemann (1887-1973), George M. MacKenzie (1895-1952) und Harry L. Alexander (1888-1969).

Im Laufe der 1930er-Jahre veranlassten verschiedene Faktoren die Mitglieder der beiden Vereinigungen, einen Zusammenschluss in Erwägung zu ziehen. Erstens wurden beide Gesellschaften landesweit stetig bekannter und viele Ärzte und Wissenschaftler waren Mitglieder in beiden Gesellschaften, was separate Versammlungen überflüssig machte.

Zweitens: Führende Allergologen beider Gesellschaften erkannten die Vorzüge gemeinsamen Handelns für die Entwicklung des Fachgebietes, für Kontrolle und Erhalt beruflicher Standards und notwendige Verteidigung gegen gelegentliche Vorwürfe, was Scharlatanerie und Profitmacherei anging, die vor allem durch Zweifel an Sicherheit und Wirkung der Allergenimmuntherapie hervorgerufen wurden. 1943 schlossen sich die beiden Vereinigungen nach langwierigen Verhandlungen zur American Academy of Allergy (Amerikanische Allergieakademie) zusammen, die anfangs 272 Mitglieder zählte.

Beide Mutterorganisationen sowie die Academy hatten einen maßgeblichen Einfluss auf die Allergiebehandlung in nordamerikanischen Krankenhäusern. So entwickelten die Gesellschaften Schulungsprogramme für amerikanische Ärzte und Medizinstudenten, die sich für Allergologie interessierten, stellten durch den 1929 gegründeten Allergy Research Council (Allergieforschungsrat) Gelder für Forschung zur Verfügung und sorgten für weltweite Kontakte unter Allergologen, indem sie führende internationale Kliniker wie Maurice Arthus, Charles Richet, Carl Prausnitz und Willem Storm van Leeuwen (1882-1933) aufforderten, Mitglied zu werden und auf Konferenzen Vorträge zu halten.

In den 1940er-Jahren führte die Academy auch eine Kampagne zur professionellen Anerkennung der Allergologie als separates, spezialisiertes Fachgebiet an. Intensive politische Auseinandersetzungen bezüglich der Beziehung zwischen Allergologie einerseits und innerer Medizin und Pädiatrie andererseits und die Gründung von Splitteror-ganisationen – z. B. das American College of Allergists (Amerikanische Hochschule für Allergieärzte), das mit den Annals of Allergy seine eigene Zeitschrift veröffentlichte – ließen die Bemühungen der Academy scheitern, durch einen autonomen Allergieausschuss, der Befugnis zur Beglaubigung von klinischen Allergologen haben sollte, den Status eines Spezialgebietes zu erlangen. Obwohl 1955 mit der Schaffung des National Institute of Allergy and Infectious Diseases (Nationales Institut für Allergologie und Infektionskrankheiten) die Bedeutung der Allergologie anerkannt wurde und die American Medical Association 1964 eine separate Allergieabteilung einrichtete, wurde erst in den 1970er-Jahren die American Board of Allergy and Immunology (Amerikanische Behörde für Allergologie und Immunologie), dem Vertreter von Pädiatrie und innerer Medizin ebenso angehörten wie die verschiedener Allergieorganisationen, gegründet.

In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen waren Mitglieder amerikanischer Allergiegesellschaften an der Definition klinischer und wissenschaftlicher Konturen des Fachgebietes für Allergologen weltweit beteiligt, nicht nur durch die Veröffentlichung einflussreicher Monografien und Zeitschriftenartikel, sondern 1929 auch durch die Gründung einer dem Thema gewidmeten akademischen Zeitschrift, dem Journal of Allergy. Jahrelang hatten die führenden amerikanischen Allergieärzte erfolgreich ihre Forschungsergebnisse im Journal of Immunology veröffentlicht, das von Arthur Coca gegründet und 25 Jahre herausgeben worden war. Coca war Professor für Immunologie am New York Hospital und hatte zusammen mit Robert Cooke den Fachbegriff „Atopie“ zur Bezeichnung einer erblichen Veranlagung für Heuschnupfen und Asthma und 1923 ein allgemeines System zur Klassifizierung von Überempfindlichkeit eingeführt.

Der Anstoß für eine eigene Allergiezeitschrift kam von Harry Alexander, einem Gründungsmitglied der Eastern Society und von French K. Hansel (1893- 1981), einem Hals-, Nasen- und Ohrenarzt aus St. Louis, der in den 1920er-Jahren Allergiekliniken eingerichtet und Schulungskurse für otolaryngologische Allergien entwickelt hatte. Er hatte außerdem zur Rolle von Allergien bei Erkrankungen der Nase und der Nebenhöhlen veröffentlicht und 1941 die Gründung der in Chicago ansässigen American Society of Ophthalmalogic and Otolaryngic Allergy (Amerikanische Gesellschaft für ophthalmalogische und otolaryngologische Allergologie) angeregt.

Die frühen Ausgaben des Journal of Allergy bestanden aus einer eklektischen Mischung von Artikeln, die das anfänglich zersplitterte Gebiet der klinischen Allergologie in den Zwischenkriegsjahren sowohl spiegelte als auch mitformte. Da gab es weitschweifige Beiträge zu theoretischen und semantischen Themen und zur Klassifizierung von Allergien, Aufsätze über Schulungsanforderungen und fachliche Standards und, als sich in den 1930er-Jahren die Publikationen zu häufen begannen, Rezensionen der wichtigsten Monografien, Protokolle von Vereinssitzungen, Berichte über Labor- oder Krankenhausstudien komplizierter allergischer Leiden (Heuschnupfen, Asthma, Nahrungsmittelallergien, Ekzeme und Bienenstiche), Berichterstattungen über die Wirksamkeit verschiedener Behandlungsmethoden, Zusammenfassungen von andernorts veröffentlichten Artikeln und 1944 schließlich die Integration von Allergy Abstracts. Obwohl der Begriff „kleinere Allergie“ manchmal infrage gestellt wurde, trugen einige Artikel dazu bei, den Bereich der klinischen Allergologie auszuweiten durch die Behauptung, eine ganze Menge von vermeintlich alltäglichen Leiden, wie zum Beispiel Kopfschmerzen, Migräne, Epilepsie, Durchfall und Sodbrennen, wären im Grunde allergischer Natur.

Im Journal of Allergy wurden auch die Ergebnisse botanischer Untersuchungen abgedruckt, die oft gemeinsam von Allergologen, Botanikern und Pflanzenphysiologen erarbeitet worden waren. Zwar scheiterten Pharmaunternehmen wie Lederle, Gregg Mitman wies das nach, bei der Standardisierung für landesweit einsetzbare Pollenimpfstoffe an den regionalen geografischen und meteorologischen Unterschieden, doch das wachsende klinische Interesse an Verzeichnissen spezifischer Pollentypen und ihrer Verbreitung bot Botanikern wie Oren C. Durham (1889-1967) und dem in Kanada geborenen Roger P. Wodehouse (1889-1978) national und international lukrative Berufsaussichten. Und durch die Konzentration auf spezielle Pollenarten waren ihre Umweltuntersuchungen von immer größerer Bedeutung. Zur selben Zeit veränderte die Naturwissenschaft die klinische Allergologie durch die Einführung „einer taxonomischen und geografischen Sicht“ auf allergische Krankheiten. Ein praktisches Ergebnis der Zusammenarbeit von Amerikas Klinikern, Botanikern und Pharmaunternehmen war die Meldung der gemessenen Pollenkonzentration im Radio. Auch wenn es Auseinandersetzungen über die Genauigkeit der Messungen hinsichtlich meteorologischer Unterschiede und der ungleichmäßigen Verteilung von Pollen in der Atmosphäre gab, erschienen die ursprünglich in den 1920er-Jahren von Durham gemeinsam mit dem Wetteramt der Vereinigten Staaten registrierten Pollenzahlen 1937 erstmals im Wetterbericht einer New Yorker Tageszeitung.

In den 1950er-Jahren waren Pollenvorhersagen eine internationale Angelegenheit geworden und „gehörten derselben ökologischen, institutionellen und therapeutischen Infrastruktur an, der auch die Allergologie als medizinisches Spezialgebiet in den Vereinigten Staaten ihr Entstehen verdankte“.

In Europa entwickelte sich die klinische Allergologie langsamer. Auf dem europäischen Festland ließ sich das öffentliche Interesse an Heuschnupfen ähnlich wie in den Vereinigten Staaten an dem im späten 19. Jahrhundert gegründeten Heufieberbund erkennen, der Patienten aus Deutschland, Österreich, den Niederlanden und der Schweiz vereinte, die sich jedes Jahr auf Helgoland trafen, um nicht nur der steigenden Pollenbelastung der frühen Sommermonate zu entkommen, sondern auch um die „Erforschung der Ätiologie und Behandlung dieser Krankheit“ voranzutreiben. Auch auf dem Kontinent interessierten sich Ärzte und Wissenschaftler in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts sehr für allergische Krankheiten. Dieses Interesse wurde teilweise von physiologischen und klinischen Untersuchungen des Mechanismus‘ und der Bedeutung der Anaphylaxie und Allergie hervorrufen, zum Teil aber auch von der steigenden Tendenz von Heuschnupfen- und Asthmafällen. In den 1920er-, 30er- und 40er-Jahren fingen Ärzte auf dem Kontinent ebenso wie ihre amerikanischen Kollegen an, Krankenhäuser und Vorlesungsreihen ins Leben zu rufen, einer immer größeren internationalen Gemeinschaft von Gelehrten akademische Abhandlungen vorzulegen und Monografien zu veröffentlichen oder aber auch Sammelbände und Zeitschriften herauszugeben, wie die 1939 von dem ungarischen Arzt und Biologen Paul Kallös (1902- 1988) gegründete Progress in Allergy oder die 1948 erstmals erschienenen Acta Allergologica (die später einfach Allergy heißen sollten).

Uber die Entwicklungen in Europa und Nordamerika wurde in der britischen Fachpresse häufig berichtet und manchmal war nachweislich eine wichtige Gedankenanregung dabei. So wurde John Freemans Entschluss, die Rolle von Schimmel bei allergischen Erkrankungen zu untersuchen und einen Mykologen in die Mannschaft der Impfabtei- lung von St. Mary’s aufzunehmen, vermutlich von einem Besuch des holländischen Allergologen Willem Storm van Leeuwen in London angeregt, dessen Anwendung einer „allergendichten“ Kammer zur Behandlung von Asthmapatienten britischen Klinikärzten durchaus bekannt war. Interessant ist, dass die Erforschung von Schimmel in St. Mary’s zur Entdeckung des Penizillins beigetragen haben kann.100 Eine genaue Analyse der Arbeit Freemans in St. Mary’s zeigt, dass sowohl die Entstehung der klinischen Allergologie in Großbritannien als auch die Richtungen, in die britische Allergologen forschten, eine eigene Dynamik hatten, die von regionalen institutioneilen und ökonomischen Faktoren sowie von weltweiten Epidemiologietrends und Denkweisen bestimmt wurde.

Im Verlauf der 1920er- und 30er-Jahre wurde das Interesse an allergischen Krankheiten unter britischen Klinikern eindeutig größer. Obwohl die von John Freeman in St. Mary’s eingerichtete Allergieklinik als die größte Spezialabteilung fortbestand, entstanden in jenen Jahrzehnten im ganzen Land weitere Kliniken, insbesondere aber nach der Gründung des Asthma Research Council (Asthmaforschungsrat), seit 1980 in National Asthma Campaign (Nationale Asthmainitiative) umbenannt und jüngst in Asthma UK. Der Council war 1927 unter großem Beifall von Öffentlichkeit und Fachleuten ins Leben gerufen worden, infolge einer Vorbereitungstagung einer Gruppe von Asthmakranken (einschließlich von Ärzten, Wissenschaftlern und Philanthropen) in der Royal United Service Institution (Königliche Vereinigte Dienstleistungseinrichtung) in London.

Zum Teil angeregt von dem „großen Leid und der Tatenlosigkeit“ von über 200 000 an Asthma leidenden Kindern und Erwachsenen, sollte der Council Geld zur „intensiven Erforschung der Ursache und Behandlung von Asthma und verwandter Krankheiten“ einwerben und verteilen.102 Mit Billigung des Gesundheitsministeriums und unter Anleitung eines medizinischen Beraterstabes, dem John Freeman, Humphry Rolleston und der Gründer der British Society of Gastroenterology (Britische Gesellschaft für Gastroenterologie), Sir Arthur Hurst (1879-1944) angehörten, wurde über die Arbeit des Council in der Tagespresse ausführlich berichtet, besonders in der Times.

Unter der Schirmherrschaft des Rates richtete eine Anzahl von Krankenhäusern Forschungs- und Behandlungszentren ein. Die Kliniken und Laboratorien in Liverpool, Edinburgh, Manchester, Glasgow, Birmingham, Belfast und London (am King’s College, in St. Mary’s und an den Krankenhäusern Guy’s sowie Great Ormond Street) sollten alle zu einem „sinnvollen Netzwerk von kleinen Zentren auf den britischen Inseln“ gehören, dass nicht nur Informationen über die geografische und klimatische Verteilung von allergischen Krankheiten sammeln sollte, sondern auch über „den Einfluss der Erblichkeit auf das Asthma syndrom generell“.

Sowohl in Fach- als auch in Tageszeitungen konnte man regelmäßig Berichte über bedeutende Therapieneuheiten lesen. So berichtete die Times 1936 über die Eröffnung einer neuen Abteilung im St. George’s Hospital in London, die den Patienten eine neuartige Heuschnupfenbehandlung anbot und eine Heilungsrate von 98 Prozent versprach. Die Behandlung, die fünf Jahre lang Gegenstand ausgedehnter Versuche in der Physiotherapieabteilung des Krankenhauses gewesen war, bestand in „der elektrischen Anbringung einer Beschichtung aus ionisiertem Zink auf die Naseninnenseiten“.

Auch wenn überall im Land Allergiekliniken entstanden und ihre eigenen Behandlungsmethoden gegen Heuschnupfen und Asthma propagierten, dominierten in den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen John Freemans in St. Mary’s durchgeführte Untersuchungen zum Heuschnupfen und zur Desensibilisierung die britische Allergieauffassung. Freeman schrieb regelmäßig Beiträge für die führenden Medizinzeitschriften, half bei der Errichtung eines Allergieklubs, der sich zu inoffiziellen Sitzungen in Pubs im West End traf, und lockte wichtige Forscher nach St. Mary’s, oft mithilfe von Geldern des Asthma Research Council. Viele seiner Kollegen (z. B. David Harley, W. Howard Hughes, Rosa Augustin, Jack Pepys und Jonathan Brostoff) leisteten Bedeutendes zur Weiterentwicklung dieses Spezialgebietes und betrieben auch nach Freemans Tod die Erforschung und Behandlung allergischer Krankheiten weiter. 1962 wurde A. W. Frankland, der 1947 eine feste Anstellung an der allergologischen Abteilung erhalten hatte, und nach dem die Allergieklinik von St. Mary’s später benannt werden sollte, in Freemans Nachfolge Direktor.

Wie Freeman in seiner 1950 veröffentlichten und Leonard Noon gewidmeten Monografie über allergische Krankheiten deutlich gemacht hatte, hingen die Labor- und klinischen Untersuchungen in St. Mary’s in starkem Maße von einer regelmäßigen Versorgung mit Pollen ab. Noon und seine Schwester Dorothy hatten seit 1907 Pollen für die medizinische Forschung gesammelt und effektive Methoden zur Anpflanzung, zum Ernten der Grasspitzen, zum Sammeln, Trocknen und Extrahieren der Pollen sowie zur Standardisierung der gewonnenen Extrakte entwickelt. Um den maximalen Nutzen aus Noons Methode zu ziehen, die über Jahre hinweg praktisch unverändert blieb und die von Wissenschaftlern erfolgreich auf die Präparierung anderer Allergene übertragen wurde, wurde 1936 ein Pollenarium eingerichtet. Es wurde auf einem gut 12 000 m2 großen Gelände in Pyrford in der Nähe von Woking errichtet, dass der erste Earl of Iveagh zur Verfügung gestellt hatte, ein Freund von Almroth Wright und seit 1921 mehr als drei Jahrzehnte lang Vorsitzender (und regelmäßiger Spender) des St. Mary’s Inoculation Department Committee (Rat der Impf- abteilung von St. Mary’s). Das Pollenarium wurde viele Jahre lang von Dorothy Noon verwaltet und 1955 erweitert, um „Forschung mit neuen Pollenarten zu ermöglichen“. Es lieferte die große Menge an Pollen, die man für die Herstellung von Impfstoffen zur Therapie und zur Prophylaxe sowie für die Diagnoselösungen benötigte, bis es 1971 geschlossen wurde.

Die klinische Praxis und Forschung in der Allergieabteilung von St. Mary’s konzentrierte sich auf einige spezielle Krankheiten. Auch wenn Heuschnupfen die archetypische allergische Erkrankung war, untersuchten Freeman und seine Kollegen ebenso wie amerikanische und europäische Allergologen auch eine Reihe scheinbar verwandter Heiden wie Asthma, Ekzeme, Prurigo, Urtikaria, angioneurotische Ödeme, Ichthyose, Dermografie, Bisse und Stiche von Insekten und Nesseln, idiotoxische Albuminurie, krampfartige Gelenkwassersucht, Nahrungsmittel- und Medikamentenunverträglichkeiten, idiotoxische Enteritis, Migräne und Epilepsie. Dennoch wurde die Forschung oft weitgehend von pragmatischen Erwägungen der klinischen Praxis bestimmt und nicht so sehr von der Notwendigkeit der Klärung theoretischer Fragen. Freeman ging es besonders um eine Verbesserung der Diagnose von allergischen Erkrankungen mittels der Modifizierung von Bindegewebe- und Hauttests und um die Erstellung genauerer Behandlungsprotokolle zur Pollendesensibilisierung. Zu diesem Zweck experimentierte er nicht nur mit der „allmählichen Desensibilisierung“, die er und Noon 1911 eingeführt hatten, sondern auch mit der „intensiven Desensibilisierung“ (tägliche Injektionen über eine Woche oder länger), mit der „Blitzimpfung“ (eine Serie von Injektionen innerhalb eines einzigen Tages) und mit Selbstimpfung, bei der ausgewählte, geeignete Heuschnupfenpatienten (ausnahmslos Männer aus den gebildeten Schichten) lernten, sich selbst zu impfen. Jedoch, diese massierten und selbst angewandten Desensibilisierungsverfahren waren wohl eher dazu gedacht, sich den hektischen beruflichen und gesellschaftlichen Lebensstilen seiner Patienten (vielleicht besonders derjenigen aus Freemans Privatpraxis) anzupassen, als dass den unterschiedlichen Behandlungsverfahren ein klares Konzept zugrunde gelegen hätte.

Trotz des allgemeinen Abklingens des Interesses an der Vakzintherapie seit den 1910er-Jahren112 und trotz der Mitte des Jahrhunderts aufkommenden Konkurrenz durch eine Reihe neuartiger Allergiemedikamente blieb die Desensibilisierung das therapeutische A und O der klinischen Praxis in St. Mary’s. Wie auch andere Labor- und klinische Forschung in der Impfabteilung wurde die Allergieforschung von dem in Detroit ansässigen Pharmaunternehmen Parke, Davis & Company finanziert, das seit 1907 auch in einer neu errichteten Fabrik in Hounslow seine Produkte herstellen ließ. Die Firma bekam die Pollenpräparate von der Allergieabteilung zur Vermarktung als „Pollaccine“. Erhältlich als eine Ausrüstung mit abgestuften Pollenextraktlösungen samt passender Spritzen, wurde Pollaccine an andere Krankenhäuser und praktische Ärzte verkauft, die damit sowohl Hauttests als auch die prophylaktische und therapeutische Impfung durchführen konnten. Die Firma ließ auch Ratgeber für Ärzte drucken, die von der Belegschaft der Impfabteilung erarbeitet worden waren und die die erhältlichen Impfstoffe, mit denen nicht nur Heuschnupfen und andere Allergien behandelt werden konnten, sondern auch Infektionen, genau beschrieben.

Durch die Vereinbarung mit Parke, Davis & Company wurde die Forschung und die klinische Arbeit in der Impfabteilung bis 1961 finanziert, dann wurde ein Siebenjahresvertrag mit Beecham Research Laboratories Ltd. geschlossen, was der zu diesem Zeitpunkt zum Wright-Fleming Institute of Microbiology (Wright-Fleming Institut für Mikrobiologie) gewordenen Abteilung bedeutende Forschungszuschüsse sicherte. Zur Beecham-Gruppe gehörte auch die Allergieabteilung von C. L. Bencard Ltd., einem der Konkurrenten von Parke, Davis & Company, was die Herstellung von diagnostischen und therapeutischen Allergieausrüstungen anging.

Obwohl Freemans klinische Neugier sowohl in St. Mary’s als auch in seiner Privatpraxis hauptsächlich von der Herausforderung, die Desensibilisierung zu perfektionieren, beansprucht wurde, war er nicht immun gegen andere Forschungsvorhaben. In den 1930er- und 40er- Jahren unterstützten Forschungsstipendiaten und Gastforscher nicht allein Freemans laufende klinische Forschungsprojekte, sondern konnten auch ihren eigenen Interessen nachgehen, von denen einige das Gebiet der Allergologie deutlich verändern sollten.

In den 1930er-Jahren veröffentlichte David Harley, ein Forschungsstipendiat des Asthma Research Council, die Ergebnisse einer Reihe von Experimenten zur Erkundung der Natur von Antikörper-Antigen-, oder genauer der Reagin-Allergen-Mischungen. Zusätzlich regte Freeman auch die Erforschung der biologischen Polyvalenz von Antigenen an, die mit den Heuschnupfen auslösenden Pollen Zusammenhängen, und publizierte Aufsätze mit W. Howard Hughes, der an St. Mary’s Medizin studiert hatte und Assistenzarzt der Abteilung geworden war. Einige Jahre später führte Rosa Augustin (geb. Friedmann), die 1952 mithilfe eines Stipendiums des Asthma Research Council in die Abteilung berufen worden war, zusammen mit A. W. Frankland nicht nur die wohl erste durch Gegenversuche kontrollierte Überprüfung der Desensibilisierung durch, indem sie die Wirksamkeit verschiedener Pollenpräparate mit der von Phenolsalzlösung verglich, sondern sie veröffentlichte auch die Ergebnisse einer Reihe international mit Beifall begrüßter Untersuchungen der chemischen Struktur und der Standardisierung von Allergenen.

Zusätzlich zu der Zusammenarbeit mit Augustin und der frühen klinischen Überprüfung von Antihistaminen in den 1950er-Jahren veröffentlichte Frankland zu den verschiedensten Themen des weiten Gebietes der Allergologie, wodurch er in Freemans Fußstapfen als der führende Allergologe des Landes trat.

In den Zwischenkriegsjahren untersuchten Forscher in St. Mary’s auch die psychogenen Aspekte von Allergien. Damit belebten sie das medizinische Interesse an älteren Theorien neu, die die Rolle von Emotionen bei Asthma- und Heuschnupfensymptomen erkannt hatten. 1938 veröffentlichte der deutsche Arzt Erich Wittkower (1899-1983), der damals an der Tavistock Klinik in London tätig war und der später Professor für Psychiatrie an der McGill University in Kanada und Präsident der American Psychosomatic Society (Amerikanische Gesellschaft für Psychosomatik) werden sollte, die Ergebnisse einer Studie zu der mit Heuschnupfen in Verbindung stehenden „allergischen Persönlichkeit“, die er mit Freemans Unterstützung in St. Mary’s durchgeführt hatte. Wittkower kam zu dem Schluss, dass der typische Heuschnupfenpatient ein behütetes Einzelkind aus der Oberschicht wäre, das sich später zu einem emotional und sozial unausgeglichenen Erwachsenen entwickeln würde.

Wittkowers Heuschnupfenforschung entsprach – ebenso wie seine Ansichten zu Ekzemen als Ergebnis emotionaler Unsicherheit – exakt dem wachsenden Interesse an psychosomatischen Krankheiten und psychosozialer Medizin der 1930er-Jahre, von dem sie aber auch angestoßen worden sein konnte. Gleichzeitig fiel sie aber auch mit den Auseinandersetzungen über die möglichen psychologischen und anlagebedingten Faktoren allergischer Krankheiten zusammen. Als Nachhall der älteren Ansichten Richets zum Zusammenhang physiologischer Reaktionen und Gemütsregungen und seiner Darstellung der Parallelphänomene von humoraler und psychologischer Mentalität wurden in den 1940er-Jahren die psychogenen Ursachen allergischer Krankheiten gerne in Abhandlungen, die für die Pathogenese von Allergien eine Verbindung zwischen Hormonen, dem autonomen Nervensystem und der Umwelt annahmen, oder die die Rolle der Mutterliebe bei der Ätiologie von Asthma einer Neofreudschen Interpretation unterzogen, betont.

In seiner 1936 auf Deutsch veröffentlichten und in den 1940er-Jahren ins Englische übersetzten Studie des „überempfindlichen Menschen“ schließt sich auch der österreichische Arzt Erwin Pulay (*’1889) dem zeitgenössischen physiologischen Interesse an der Homöostasis an, indem er die Überempfindlichkeit in erster Linie als ein „Mechanismus gestörter Funktionsvorgänge“ auffasst. Einerseits, so sein Vorschlag, sei eine Veranlagung zur Allergie das Ergebnis von hormonellen Abnormitäten, insbesondere der Unausgewogenheit von Sexualhormonen. Er bestand sogar darauf, Patienten mit allergischen Krankheiten sollten dem „intersexuellen Typ“ zugeordnet werden und folglich mit „Sexualhormonen“ behandelt werden. Andererseits würden individuelle allergische Anfälle vermutlich durch eine „Störung der biologischen Oxydation“ und die daraus resultierende Anhäufung von toxischen Abfallstoffen herbeigeführt. Beide Male wäre der Krankheitsbefund die Unfähigkeit, angesichts der Gefährdungen durch die Umwelt die „funktionelle Einheit“ und Stabilität aufrechtzuerhalten.

Obwohl Pulays Auffassung zur Überempfindlichkeit nicht zum Gemeingut der Allergieforschung jener Jahre zählte, ließ der biologistische und neohippokratische Tenor seiner Schriften und seine Verbindung der Veranlagungsmedizin mit der Endokrinologie und Allergologie nicht nur Freemans an St. Mary’s gepflegten klinischen Individualismus anklingen. Er spiegelte auch die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen, die zu dieser Zeit um den Erhalt politischer Stabilität in einer zunehmend unbeständigen und unsicheren Welt geführt hatten, sowie die andernorts entwickelten ökologischen Herangehensweisen an die Humanmedizin. Besonders Pulays Interesse am hormonalen Ungleichgewicht als physiologische Ursache für einige klinische Leiden orientierte sich an Hans Selyes Arbeiten über Stress und Krankheit. Geboren in Wien und aufgewachsen in Ungarn, studierte Selye Medizin und promovierte im Fach Organische Chemie an der deutschen Universität von Prag, bevor er Rockefeller-Forschungsstipendiat an der Johns Hopkins University wurde. 1933 wurde Selye zum Lehrbeauftragten an der McGill University ernannt, bevor er an die Universität von Montreal ging, wo er das Institute of Experimental Medicine and Surgery (Institut für experimentelle Medizin und Chirurgie) gründete und auch leitete. 1936, während er versuchte, neue Hormone in Ovarien- und Placentaextrakten zu identifizieren, formulierte Selye seine zentrale These eines „general adaption syndrome“, nach der bestimmte Krankheiten (einschließlich Allergien, Magengeschwüre, hoher Blutdruck, rheumatische Erkrankungen und nervöse und seelische Leiden) durch vom endokrinen System hervorgerufene „Fehlfunktionen unserer Anpassungsleistung bei Stress“ erklärt werden könnten.

Zusätzlich zu seinem Rückgriff auf zeitgenössische biologische Auffassungen von Stress und Krankheit, brachte Erwin Pulay auch die Möglichkeit einer „Seelenallergie“ zur Sprache, das heißt einer psychischen Überempfindlichkeit gegen bestimmte emotionale und psychologische Reize. In seiner extremsten Form könne das zu einer Schockreaktion führen („auch die Seele reagiert anaphylaktisch“, schreibt er), die schwer genug sein könne, um zum Selbstmord zu füh-ren. Indem manche Autoren die Beziehungen zwischen Körper und Geist auf dem Gebiet der psychosomatischen Medizin tiefer ausloteten, erkannten sie auch die Rolle von psychologischen Faktoren beim Auftreten organischer Allergiereaktionen. So konnte beispielsweise Asthma, so die amerikanische Psychoanalytikerin Helen Flanders Dunbar (1902-1959), sowohl von externen (Staub, Pollen, Nahrungsmittel und Tierhaaren) als auch durch innere Faktoren – wie Störungen des endokrinen und seelischen Systems oder einen defekten Stoffwechsel – verursacht werden. Dunbar war die erste Chefredakteurin der 1939 gegründeten Zeitschrift Psychosomatic Medicine, wurde 1942 zur Mitbegründerin der American Psychosomatic Society und eine der treibenden Kräfte beim Entstehen einer psychosomatischen Medizin und ganzheitlichen Behandlung in den Vereinigten Staaten. In zahlreichen akademischen und populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen der 1930er- und 40er-Jahre vertrat Dunbar die Ansicht, dass eine Asthmaneigung (und verschiedene andere Krankheiten) insbesondere auf „einen Konflikt bei dem Wunsch nach mütterlicher Liebe und Fürsorge“ zurückzuführen sei.

Diese psychologische Konstellation wurde von ihr ganz allgemein als „Allergie con amore“ bezeichnet. Bei einigen Kindern, so Dunbar, könnte Asthma das Ergebnis einer Frustration wegen mangelnder Mutterliebe sein. Dieses Phänomen untersuchte auch John Bowlby (1907-1990) in seinen einflussreichen Arbeiten über die Auswirkung mütterlichen Liebesentzugs auf das Verhalten von Kindern und beim Entstehen von Jugendkriminalität.124 Andere Kinder wiederum könnten Asthma bekommen, weil sie Angst hätten, von der Mutterliebe oder dem, was Dunbar „Affenliebe“ nannte, „erstickt zu werden“. Obwohl Dunbar darin genauso wie Pulay ein sexuelles Problem sah, zog sie es dennoch vor, sich eher den Freud’schen Auffassungen von der unterdrückten Libido anzuschließen, als von einem anlagebedingten hormonellen Ungleichgewicht zu sprechen:

Tatsächlich ist ihr Hauptproblem sexueller Natur und oft sehr eng verbunden mit dem maternellen. Im Allgemeinen verspürten Allergiker eine starke sexuelle Neugier und Verlockung – nicht unbedingt einen starken sexuellen Trieb -, und sie neigen dazu, Angst davor zu haben.

Psychodynamische Herangehensweisen an allergische Krankheiten wurden in der Nachkriegszeit immer populärer. Das lag vielleicht daran, dass sie nicht nur die radikal-liberale Kritik am biomedzinischen Reduktionismus verfestigten, sondern auch daran, dass sie – paradox! – sowohl die zeitgenössischen Vorstellungen von der guten Mutter als auch den reaktionären Druck, der Frauen nach dem Zweiten Weltkrieg wieder stärker in den häuslichen Bereich verbannte, verstärkten. Auch in der Alltagskultur Mitte des 20. Jahrhunderts machte sich die theoretische, moralisierende Verbindung zwischen Emotionen und Allergien bemerkbar. In einem schlicht Allergy genannten und erstmals 1966 aufgeführten Theaterstück des schottischen Dramatikers C. R Taylor (1929-1981) wurde dargestellt, dass emotionaler Stress allergische Hautreaktionen hervorrufen kann. Einer der Protagonisten des Stückes, Christopher, bekommt immer dann einen „sehr üblen, hässlichen roten Ausschlag“, wenn er an einen Ehebruch mit Barbara denkt. Weil er befürchtet, der Ausschlag könne ansteckend sein, behauptet er, es handele sich nur um eine Allergie. Um dieselbe Zeit erfasste die amerikanische Dichterin Anne Sexton (1928-1974) die emotionale Leere einer kleinbürgerlichen Ehe, wenn sie ein verheiratetes Paar als „zwei Asthmatiker“ bezeichnet, „deren Atem durch eine kleine rauhe Röhre rein und raus schluchzt“.

Die Verbindung von Asthma mit sexueller Leidenschaft schlug sich in jener Zeit auch in Zeitungskarikaturen nieder. In Reg Smythes Andy-Kapp-Karikatur von 1958 wird zum Beispiel nicht nur auf die symptomatischen Ähnlichkeiten gewisser Gefühlszustände mit Asthma angespielt, sondern auch auf einen möglichen kausalen Zusammenhang zwischen diesen beiden.

Die psychologischen Theorien zu Asthma und anderen allergischen Leiden waren nicht ohne Folgen für Forschung und Therapie. Das Interesse an den psychogenen Ursachen von Allergien führte zur Untersuchung der möglichen Rolle von Hypnose bei der Linderung allergischer Symptome. Deren Wirkung wurde in Großbritannien in den 1950er- und 60er-Jahren in einer Reihe von Versuchen mit asthmatischen Kindern erkundet. Vom Medical Research Council finanziert (der in den 1930er-Jahren Untersuchungen des psychologischen Profils asthmatischer Kinder gefördert hatte), veröffentlichte Stephen Black in den 1960er-Jahren einige Aufsätze, die zur Linderung sowohl direkter als auch verzögerter Überempfindlichkeitsreaktionen das Wirken direkter Suggestion unter Hypnose beschrieben. Die überregionale Presse griff die medizinischen Berichte über die Anwendung von Hypnose häufig auf: 1968 unterstrich die Times die Möglichkeit, durch Hypnose sowohl das Keuchen als auch die Einnahme bronchodilatatorischer Medikamente reduzieren zu können. Das sollte insbesondere für Frauen gelten, die man für therapeutische Entspannung und Atemübungen für ungeeignet hielt.

Zusätzlich kann die Erkenntnis der seelischen Auslöser von Asthma die Einrichtung von Freiluftschulen für junge Asthmatiker unterstützt haben. Solche Schulen waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Englands ländlichen oder küstennahen Gebieten gegründet worden, um prätuberkulöse Stadtkinder mit einer gesünderen Umgebung und frischer Luft samt gesunder Ernährung und regelmäßiger Bewegung zu versorgen. Als die Tuberkulosesterblichkeit aufgrund der verbesserten Lebensbedingungen und der Einführung von Antibiotika sank, wurden die Freiluftschulen vermehrt für Kinder mit Asthma und Bronchitis (und gelegentlich auch für „milieugeschädigte“ Kinder) gebraucht. Parallel dazu stellten Organisationen wie das britische Rote Kreuz und die Internationale Kinderhilfe ebenfalls Gelder für asthmatische Kinder bereit, damit diese von der sauberen Luft und der „optimistischen Atmosphäre“ kontinentaler Kurorte, wie Davos in der Schweiz und Font Remeu in den Pyrenäen, profitieren konnten. Auch wenn die Vermeidung von Schadstoffen im Haushalt und in der Stadt einen Hauptgrund für die Verschickung in eine Freiluftschule oder einen Bergkurort darstellte, wurde angedeutet, dass asthmatische Kinder von dem profitierten, was amerikanische Ärzte „parentectomy“ nannten, dass heißt dem Freisein von einer erstickenden emotionalen Umgebung daheim. Führende amerikanische Vertreter dieser Richtung schrieben 1956 diesbezüglich:

Es muss jedoch betont werden, dass das Klima nur eine kleine Rolle spielt bei den erzielten Resultaten […]. Häusliche Spannungen zwischen dem Kind und seinen Eltern scheinen in den meisten unserer Fälle der Hauptauslöser zu sein.

Auch wenn britische Ärzte die seelische Seite allergischer Erkrankungen anerkannten, waren sie häufig gegen eine „parentectomy“, zum einem, weil es als zu starke Vereinfachung der an unheilbarem Asthma beteiligten Ursachen angesehen wurde, zum anderen, weil es zur „wahllosen Trennung von Kindern von ihrer häuslichen Umgebung“ hätte führen können, „was potenziell schädlich ist“. Obwohl John Freeman von psychologischen Untersuchungen fasziniert war und eine gründliche Diskussion der gefühlsbedingten Ursachen in seine Monografie von 1950 einbezog, blieb seine Aufmerksamkeit wie die vieler anderer Allergologen entweder auf die Desensibilisierung oder auf die Entwicklung neuer pharmakologischer Mittel als effektivste Allergiebehandlung konzentriert. Auch wenn sich der Bereich der Allergieforschung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beträchtlich erweitert hatte und biochemische und immunologische Allergenanalysen ebenso wie psychologische und hormonelle Ansätze zur Diagnose und Therapie umfasste, wurden Allergologen dennoch weiterhin größtenteils über ihre hartnäckige Konzentration auf die Allergen-Immuntherapie definiert und bis zu einem gewissen Grad auch geplagt.