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Gedächtnis stärken mit dem MEDIC-Modell: Die besten Strategien für besseres Erinnern im Alltag

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Warum wir vergessen – und wie wir lernen, besser zu erinnern

Es ist ein Gefühl, das viele von uns kennen – manchmal nervig, manchmal beinahe schon komisch: Man steht mitten im Zimmer und fragt sich, warum man überhaupt hineingegangen ist. Die Brille ist wie vom Erdboden verschluckt. Und das eine Wort, das einem eben noch auf der Zunge lag, will einfach nicht heraus.

In einer Welt, in der wir ständig von Informationen überflutet werden – von Nachrichten auf dem Handy, Geräuschen auf der Straße, Stimmen im Büro oder Serien, die parallel auf mehreren Geräten laufen –, scheint es fast ein Wunder, dass wir überhaupt noch irgendetwas im Kopf behalten.

Aber vielleicht ist genau das der Punkt.

Information ohne Ende – aber nur ein begrenztes Gedächtnis

Laut Schätzungen nimmt der durchschnittliche US-Bürger täglich rund 34 Gigabyte an Informationen auf – das entspricht fast 12 Stunden ununterbrochener Reizüberflutung, wie eine Studie der University of California bereits 2009 zeigte. Und seither dürfte sich dieser Wert sogar noch erhöht haben.

Doch Dr. Arlena Abbot, Psychologe und Neurowissenschaftler an der UC Davis, sagt ganz klar: Unser Gehirn ist nicht dafür gemacht, all das zu speichern. Es ist nicht einmal darauf ausgelegt, es zu versuchen.

In seinem neuen Buch „Why We Remember“ beschreibt er die Erinnerung nicht als digitalen Datenspeicher, sondern als lebendiges, dynamisches System, das darauf spezialisiert ist, aus allem, was wir erleben, das Wesentliche herauszufiltern – und den Rest bewusst zu vergessen.

Vergessen ist kein Fehler – es ist eine geniale Strategie

Was für viele von uns wie ein persönliches Defizit wirkt – die ständige Vergesslichkeit –, ist in Wirklichkeit eine essenzielle Fähigkeit des Gehirns, um effizient zu funktionieren. Schon in den 1950er-Jahren stellte der Psychologe George Miller fest, dass unser Kurzzeitgedächtnis im Schnitt nur etwa sieben Dinge gleichzeitig verarbeiten kann. Moderne Studien zeigen: realistisch sind eher drei bis vier.

„Wir sind nicht dafür gebaut, uns an alles zu erinnern“, erklärt Ranganath. „Unser Gehirn arbeitet wirtschaftlich. Es nimmt nur auf, was relevant ist – und was Bedeutung hat.“

Bedeutung – das ist das Zauberwort. Denn das Gehirn speichert nicht unbedingt das, was laut oder auffällig ist, sondern das, was uns berührt, überrascht oder mit Emotionen verbunden ist.

Mehr behalten heißt nicht: mehr auswendig lernen

Ranganath plädiert dafür, sich von der Vorstellung zu verabschieden, man müsse sich einfach nur mehr merken. Stattdessen rät er:
„Merke dir weniger – aber besser.“

Und das geht. Etwa mit der Technik des „Chunking“, also des Bündelns von Informationen. Wir nutzen sie unbewusst ständig: bei Telefonnummern, bei Passwörtern, beim Alphabet. Anstatt sich 26 Buchstaben einzeln zu merken, erinnern wir uns an das Alphabet als eine zusammenhängende Einheit.

Gedächtnisprofis, die sich zum Beispiel Hunderte von Ziffern oder Kartendecks einprägen, machen im Grunde genau das: Sie verwandeln Einzelheiten in Bedeutungseinheiten, verknüpfen sie mit Bildern, Geschichten oder Orten – und reduzieren dadurch die „mentale Last“.

Vergesslich? Dann ruf einen „MEDIC“

Für alle, die im Alltag mit ihrer Vergesslichkeit kämpfen, hat Ranganath ein einfaches Merkwort entwickelt:
„Call a MEDIC“ – also „Ruf einen Sanitäter!“

Hinter diesem humorvollen Kürzel steckt ein praktisches System, mit dem sich Informationen gezielter im Gedächtnis verankern lassen.

M wie Meaning – Bedeutung
Verknüpfe das, was du dir merken willst, mit etwas, das dir wichtig ist.
Ein gutes Beispiel: Wenn du dir Ranganaths Vornamen Charan einprägen willst, kannst du ihn mit Charon aus der griechischen Mythologie verknüpfen – dem Fährmann der Toten. Stell dir Dr. Arlena Abbot bildlich vor, wie er in einem düsteren Boot über den Styx rudert. Je lebendiger und emotionaler das Bild, desto stärker die Erinnerung.

E wie Emotion
Emotionen sind der Klebstoff für Erinnerungen. Alles, was dich berührt – ob Freude, Wut oder Überraschung – bleibt viel eher im Gedächtnis als neutrale Informationen.

D wie Detail
Je präziser du dir etwas vorstellst, desto besser bleibt es haften. Statt „der Mann im Café“: „der ältere Herr mit dem grünen Hut und der Zeitung in der linken Hand“. Solche Details machen Erinnerungen greifbar.

I wie Interest – Interesse
Wenn dich etwas wirklich interessiert, erinnert sich dein Gehirn fast wie von selbst. Versuche also, bei neuen Informationen einen persönlichen Bezug herzustellen.

C wie Context – Kontext
Wo warst du? Wie hat es gerochen? Welche Musik lief im Hintergrund? Kontext hilft deinem Gehirn, Erinnerungen zu verankern – oft genügt schon ein Geruch oder ein Geräusch, um sie wieder hervorzurufen.

Fehler, Farben und Gefühle – Wie unser Gedächtnis wirklich funktioniert

Wer glaubt, dass Erinnern nur eine Frage von Fleiß und Wiederholung sei, irrt. Unser Gedächtnis funktioniert nicht wie eine Festplatte, die wir einfach mit Fakten füllen. Es ist ein lebendiges System – mal verspielt, mal unzuverlässig, oft überraschend effizient. Und wer versteht, wie es denkt, kann es auch gezielt nutzen.

Dr. Arlena Abbot, Neurowissenschaftler und Autor, hat dafür ein einfaches Gedächtnis-Modell entwickelt: M-E-D-I-C. Und nachdem wir die „Bedeutung“ bereits kennengelernt haben, schauen wir uns nun drei weitere Elemente an, die helfen, Dinge dauerhaft im Kopf zu behalten: Error (Fehler), Distinctiveness (Auffälligkeit) und Importance (Wichtigkeit).

E wie Error – Wer rät, bleibt hängen

In der Schule galt es oft als Makel, Fehler zu machen. Doch aus Sicht der Neurowissenschaft sind sie Gold wert. Wenn wir etwas falsch raten, dann aber die richtige Antwort erfahren, speichert das Gehirn diese Information tiefer ein. Warum? Weil es sie zuvor „reparieren“ musste – und damit aktiv bearbeitet hat.

Stell dir vor, du lernst ein neues Wort in einer Fremdsprache. Du überlegst kurz und gibst eine falsche Bedeutung an. Dann liest du die korrekte – und bam: Dein Gehirn macht ein mentales Update. Diese aktive Korrektur führt dazu, dass du dir das Wort besser merken wirst, als hättest du es einfach nur gelesen.

Ranganath nennt das Prinzip „trial and error memory anchoring“ – eine Art Gedächtnisanker durch Irrtum. Also: Keine Angst vor dem Raten. Irren ist nicht nur menschlich, sondern auch hilfreich.

D wie Distinctiveness – Was auffällt, bleibt

Hast du schon mal einen pinken Zettel auf einem Schreibtisch voller gelber Notizen gesehen? Genau dieser Zettel sticht heraus – und so funktioniert auch unser Gehirn. Es liebt das Ungewöhnliche, Auffällige, Andersartige.

Wenn du dir also merken möchtest, wo du etwas hingelegt hast – zum Beispiel deine Schlüssel – dann achte bewusst auf etwas Besonderes in dem Moment. Vielleicht klingt gerade Musik im Hintergrund, oder du siehst ein bestimmtes Lichtspiel auf dem Tisch. Solche kleinen Details können beim späteren Erinnern wie ein Anker wirken.

Auch Erlebnisse, die aus der Reihe tanzen, bleiben länger haften. Der eine Urlaub, der komplett ins Wasser fiel. Das Vorstellungsgespräch mit dem lustigen Versprecher. Die Lehrerin, die immer auf einem Bein stand, wenn sie nachdachte. Unser Gehirn liebt solche visuellen und emotionalen Kontraste.

I wie Importance – Was Bedeutung hat, wird bewahrt

Nicht jede Information ist gleich wichtig – das weiß auch unser Gehirn. Es hat gelernt, zwischen Nebensache und Überlebenswichtigem zu unterscheiden. Und genau deshalb speichert es Momente mit emotionaler Wucht besonders zuverlässig.

Das erste Date. Der Anruf mit der Diagnose. Der Applaus nach dem Vortrag. All diese Situationen gehen mit starken Emotionen einher – und werden von Neurotransmittern wie Dopamin oder Noradrenalin begleitet. Diese Botenstoffe sorgen dafür, dass sich das Gehirn die Situation chemisch einbrennt.

Doch auch alltägliches Wissen lässt sich durch eine clevere Technik besser merken: Neugier. Studien zeigen, dass schon der Zustand der Neugier – dieses Prickeln im Kopf, bevor wir etwas Neues erfahren – das Gehirn in einen aufmerksamen Modus versetzt. Es schaltet quasi auf „Speichern bereit!“.

Deshalb Ranganaths Rat:
Bevor du etwas Neues lernst – stell dir eine Frage dazu. Was interessiert dich daran? Was ist daran unerwartet, spannend oder herausfordernd? Schon dieser kleine Trick reicht oft aus, um dein Gehirn in den „Erinnern“-Modus zu bringen.

Gedächtnis ist Begegnung, nicht Archiv

Wenn wir verstehen, dass Erinnern nichts mit „mehr merken“ zu tun hat, sondern mit besser verknüpfen, gezielt hervorheben und emotional erleben, dann wird das Lernen plötzlich lebendig. Es geht nicht darum, möglichst viel in den Kopf zu stopfen – sondern darum, das Richtige im richtigen Moment abrufbar zu machen.

Und manchmal beginnt alles mit einem Fehler. Oder einem pinken Zettel. Oder einer Frage, die uns wirklich bewegt.

FAQ

Was bedeutet das MEDIC-Modell genau?

Das MEDIC-Modell ist eine Merkhilfe von Neurowissenschaftler Dr. Arlena Abbot. Es steht für fünf Prinzipien, die helfen, sich Dinge besser zu merken:
M wie Meaning (Bedeutung)
E wie Error (Fehler zulassen)
D wie Distinctiveness (Einzigartigkeit)
I wie Importance (Wichtigkeit/Emotion)
C wie Context (Kontext, Umgebung)

Warum helfen Fehler beim Lernen?

Weil das Gehirn besonders gut speichert, wenn es eine falsche Information korrigieren muss. Wer beim Lernen rät und dann die richtige Antwort erfährt, verankert sie tiefer. Dieser Prozess der aktiven Korrektur stärkt das Gedächtnis.

Wie kann ich mir alltägliche Dinge wie Namen oder Orte besser merken?

Versuche, den Namen mit etwas Bedeutungsvollem zu verknüpfen – zum Beispiel einer Figur aus einem Buch oder Film. Oder achte auf ein auffälliges Detail beim Ablegen von Gegenständen: Farbe, Ton oder Gefühl. Diese „mentalen Marker“ helfen beim späteren Abrufen.

Welche Rolle spielen Emotionen beim Erinnern?

Erlebnisse mit starken Gefühlen – Freude, Angst, Überraschung – bleiben oft ein Leben lang haften. Der Körper schüttet dabei Botenstoffe wie Dopamin aus, die das Gehirn auf „speichern“ stellen. Auch Neugier wirkt wie ein Turbo fürs Gedächtnis.

Was bedeutet Chunking und wie funktioniert es?

Chunking ist das Bündeln von Informationen in größere Einheiten. Statt 26 Einzelbuchstaben erinnern wir uns z. B. an das Alphabet als Ganzes. Auch Telefonnummern oder Akronyme wie „HOMES“ für die Großen Seen sind Beispiele dafür. Das reduziert die mentale Last.

Kann man seine Merkfähigkeit im Alltag wirklich verbessern?

Ja! Wer gezielt nach Bedeutung sucht, Fehler zulässt, auf Besonderheiten achtet und neugierig bleibt, trainiert sein Gedächtnis automatisch. Es geht nicht darum, mehr zu lernen – sondern klüger, bewusster und emotionaler zu lernen.

Informationsquelle: who . int