Start Gesundheitstipps Mouth Taping auf TikTok: Was der virale Trend mit deinem Atem macht

Mouth Taping auf TikTok: Was der virale Trend mit deinem Atem macht

11

„Mouth Taping“ im Schlaf: Was hinter dem viralen Trend wirklich steckt

Ein Pflaster über dem Mund – und das freiwillig, jede Nacht. Was noch vor wenigen Jahren absurd klang, ist heute zum viralen Wellness-Phänomen geworden. Auf Plattformen wie TikTok schwärmen Influencer vom sogenannten Mouth Taping – dem bewussten Zukleben des Mundes beim Schlafen. Und mit ihnen Millionen von Followern, die dem Trend folgen, teils aus Neugier, teils aus der Hoffnung auf besseren Schlaf, weniger Schnarchen oder sogar ein schöneres Gesicht.

Für viele ist das Mundpflaster mittlerweile so selbstverständlich wie die Abendroutine mit Gesichtsmaske und Lavendelkissen. Der Markt boomt: Es gibt spezielle Tapes in Pastellfarben, hautfreundlich, atmungsaktiv, in Sets mit beruhigenden Tees und Aromasprays – alles verspricht den „ultimativen Schlaf-Hack“. Doch so sanft das Pflaster wirkt, so heftig ist die Debatte, die es entfacht hat.

Ein Hype aus Likes, Reels und Suggestion

Die TikTok-Beiträge überschlagen sich: Eine Influencerin nennt Mouth Taping den „Gamechanger ihres Lebens“, der ihr Kieferbild verbessert habe. Eine andere beteuert, es handle sich keineswegs um einen Placeboeffekt – seitdem sie sich den Mund zuklebe, schlafe sie tiefer und wache mit mehr Energie auf. Manche behaupten sogar, es helfe bei Ängsten, Unruhe und innerer Anspannung.

Inmitten dieser Begeisterung wirkt die Stimme einer TikTok-Nutzerin fast erfrischend ehrlich: „Ich weiß eigentlich gar nicht mehr, warum ich damit angefangen habe. Ich habe es einfach gesehen – und jetzt mache ich’s jede Nacht. Und ja, ich schlafe tatsächlich durch.“

Doch genau hier beginnt das Problem: Ein Trend, der aus Impuls und viraler Nachahmung entsteht, kann – gerade im Gesundheitsbereich – schnell in gefährliches Terrain geraten.

Was die Wissenschaft dazu sagt – und was nicht

Während das Internet Mouth Taping als Lifestyle-Must-have feiert, sehen Schlafmediziner die Entwicklung kritisch. Dr. Briana Rotenberger, Professor für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde an der Schulich School of Medicine im kanadischen Ontario, warnt eindringlich:

„Die versprochenen Effekte – Verbesserung bei Schlafapnoe, weniger Schnarchen, positive optische Veränderungen im Gesicht – lassen sich wissenschaftlich bisher nicht belegen. Und mehr noch: In manchen Fällen kann Mouth Taping gesundheitlich riskant sein.“

Gefährliches Spiel mit dem Atem – besonders bei Schlafapnoe

Besonders für Menschen mit unerkannten Atemwegserkrankungen kann der Trend zur Falle werden. Schlafapnoe – eine Erkrankung, bei der die Atmung im Schlaf immer wieder für kurze Zeit aussetzt – betrifft allein in den USA rund 30 Millionen Menschen, viele davon ohne Diagnose. Unbehandelt kann sie zu Herzkrankheiten, Schlaganfall, Diabetes, Depressionen und vorzeitigem Tod führen.

Wenn Betroffene ihren Mund im Schlaf verkleben, riskieren sie laut Dr. Rotenberger, den letzten freien Atemweg zu blockieren. In einer aktuellen Analyse wiesen er und sein Team darauf hin, dass Mouth Taping in Kombination mit einer verstopften Nase oder nächtlichem Rückfluss (Reflux) zu akuter Erstickungsgefahr führen kann.

Die Nase als stille Mitspielerin – was oft übersehen wird

Was viele vergessen: Auch die Nase kann blockiert sein – etwa durch eine verkrümmte Nasenscheidewand, Polypen oder in seltenen Fällen sogar Nasen-Tumoren. Diese anatomischen Besonderheiten spürt man nicht immer sofort, können aber die Nasenatmung massiv einschränken. Wenn dann auch der Mund durch Tape verschlossen wird, ist der Körper buchstäblich ohne Luft.

„Viele greifen einfach zum Tape, ohne zu wissen, ob ihre Nase überhaupt für eine durchgängige Atmung geeignet ist“, so Rotenberg. „Aber das ist nicht harmlos. Man sollte vorher unbedingt einen HNO-Arzt oder Schlafmediziner aufsuchen.“

Ein Wellness-Trend zwischen Kontrolle und Kontrollverlust

Warum tapen sich Menschen überhaupt den Mund zu? Die Antworten sind vielfältig: Kontrolle über den Körper, ein Gefühl von Ordnung im Schlaf, ein Bedürfnis nach Stille oder innerem Halt. In einer Welt, die immer lauter und hektischer wird, scheint der Gedanke, den Mund im Schlaf zu „schließen“, beinahe poetisch. Aber auch gefährlich naiv.

Was als sanfter Wellness-Trick beginnt, kann – gerade bei gesundheitlichen Vorerkrankungen – ungewollt zur gesundheitlichen Bedrohung werden. Der Wunsch, die Nacht zu optimieren, darf nicht die eigene Sicherheit gefährden.

Atmen sollte man nicht dem Internet überlassen

Ob Mundpflaster, Einschlafrituale oder Atemtechniken – gesunder Schlaf ist individuell. Was für den einen wohltuend ist, kann für den anderen zur Gefahr werden. Wer schlecht schläft, schnarcht oder morgens erschöpft aufwacht, sollte nicht TikTok, sondern einen Facharzt konsultieren.

Mouth Taping mag harmlos aussehen. Doch hinter dem kleinen Streifen Klebeband steckt ein komplexes Zusammenspiel aus Atmung, Anatomie und Gesundheit – das nicht durch Likes, sondern durch medizinische Aufklärung begleitet werden sollte.

Wenn TikTok zur Diagnose wird – und was dabei verloren geht

Wir leben in einer Zeit, in der viele Menschen eher auf einen viralen Clip als auf ärztlichen Rat hören. Oder wie es ein Experte auf den Punkt bringt:

„Eine große Zahl von Menschen verlässt sich lieber auf Instagram, TikTok oder andere Quellen, statt auf die Meinung eines Arztes oder einer Pflegekraft, um eine Diagnose zu stellen.“

Die sozialen Medien haben sich zu einem digitalen Wartezimmer entwickelt – nur ohne Ausbildung, ohne Diagnostik und ohne Verantwortung. Gerade beim Thema Mundpflaster wird deutlich, wie gefährlich diese Entwicklung sein kann.

Ohne richtige Atmung ist Mouth Taping sinnlos

Viele, die sich nachts den Mund zukleben, tun das in der Hoffnung, endlich durch die Nase atmen zu lernen. Und das ist grundsätzlich sinnvoll: Nasenatmung gilt als gesünder. Feine Flimmerhärchen in der Nase – sogenannte Zilien – filtern Staub, Allergene, Keime und andere Schwebstoffe aus der Luft. Gleichzeitig befeuchtet die Nase die eingeatmete Luft, was beim Atmen durch den Mund nicht geschieht – dort kann trockene Luft die Lunge reizen.

Dr. Ares Dasupta, Spezialist für Lungen- und Schlafmedizin am Huntington Health in Kalifornien, erklärt:
„Nasenatmung kann sogar den Blutdruck senken, weil sie die Produktion von Stickstoffmonoxid im Körper erhöht – einer Substanz, die gefäßerweiternd wirkt und die Durchblutung unterstützt.“

Außerdem wirkt das Atmen durch die Nase beruhigend – deshalb ist es ein fester Bestandteil in Techniken wie Yoga oder Meditation, um Schlaf und Entspannung zu fördern.

Aber: Ohne Zungenhaltung keine Wirkung

Was viele unterschätzen: Wer die Vorteile der Nasenatmung nutzen will, muss nicht nur den Mund verschließen – sondern vor allem die Zunge korrekt platzieren. Darauf weist Ann Kearney hin, Sprachtherapeutin an der Stanford University School of Medicine.

„Es frustriert mich, dass manche Menschen glauben, sie könnten sich einfach den Mund zukleben – und das war’s. Das ist nicht der Punkt. Ohne die richtige Zungenlage bringt das nichts.“

Der Trick besteht darin, die Zungenspitze hinter die oberen Schneidezähne zu legen und den Rest der Zunge locker gegen den oberen Gaumen zu drücken – und dort zu halten. Wer sich das schwer vorstellen kann, dem gibt Kearney einen einfachen Tipp:

„Versuchen Sie, das Wort ‚the‘ zu sagen – aber lassen Sie die Zunge dabei auf den Zähnen. Danach entspannen Sie die Zunge sanft entlang des oberen Gaumens.“

Bleibt die Zunge unten im Mundraum, passiert das Gegenteil: Sie fällt nach hinten und verengt die Atemwege. Rutscht sie dagegen nach oben und vorne, wird die Atemöffnung geweitet – das erleichtert das Atmen durch die Nase deutlich.

Richtig tapen – mit Maß und Verstand

Wer sich – nach medizinischer Abklärung – dennoch für Mouth Taping entscheidet, braucht dafür keine komplizierten Hilfsmittel. Laut Kearney genügt ein etwa 5 cm langes Stück dünnes, medizinisches Pflaster, das locker über die Lippen gelegt wird.

„Ich habe in den sozialen Medien verrückte Dinge gesehen – Leute verwenden Paketklebeband oder riesige Pflaster, die den ganzen Mund abdecken“, erzählt sie. „Das ist völlig unnötig – und kann gefährlich sein.“

Es geht nicht darum, den Mund komplett abzuriegeln, sondern sanft zu unterstützen, dass man ihn im Schlaf geschlossen hält – bei freier Nasenatmung und korrekter Zungenhaltung. Alles andere ist bestenfalls wirkungslos und schlimmstenfalls riskant.

Ein Trend mit Potenzial – aber nur, wenn er richtig verstanden wird

Ja, Mouth Taping kann ein nützlicher Impuls sein – für bessere Atmung, mehr Achtsamkeit im Schlaf und ein neues Körpergefühl. Aber nur, wenn er auf Aufklärung, medizinischem Rat und körperlichem Verständnis basiert. Ein viraler Trend ersetzt keine individuelle Diagnose. Und ein Klebestreifen ersetzt nicht das Wissen um den eigenen Atem.

Wer ernsthaft mit dem Gedanken spielt, sollte nicht auf TikTok hören – sondern auf die eigenen Signale des Körpers. Und im Zweifel: auf einen Arzt.

FAQ

Was ist Mouth Taping?

Beim Mouth Taping klebt man sich nachts ein medizinisches Pflaster über den Mund, um die Atmung durch die Nase zu fördern. Ziel ist es, Schnarchen zu reduzieren, besser zu schlafen und gesünder zu atmen. Der Trend stammt aus der Biohacker-Szene und hat sich über soziale Medien wie TikTok verbreitet.

Ist es wirklich gesund, den Mund im Schlaf zuzukleben?

Das ist umstritten. Während einige Menschen subjektiv über besseren Schlaf berichten, warnen Schlafmediziner vor gesundheitlichen Risiken – besonders für Personen mit Schlafapnoe oder Nasenverengungen. Eine medizinische Abklärung ist dringend zu empfehlen, bevor man es ausprobiert.

Warum ist Nasenatmung besser als Mundatmung?

Die Nase filtert, befeuchtet und erwärmt die eingeatmete Luft. Sie schützt vor Staub, Keimen und trockener Luft, die Lunge und Schleimhäute reizen kann. Außerdem unterstützt Nasenatmung die Sauerstoffaufnahme, senkt den Blutdruck und wirkt beruhigend auf das Nervensystem.

Welche Rolle spielt die Zungenhaltung beim Mouth Taping?

Eine entscheidende! Laut Expertinnen wie Ann Kearney (Stanford) bringt Mouth Taping nur dann Vorteile, wenn die Zunge im oberen Gaumenbereich liegt. Liegt sie flach im Mundraum, kann sie die Atemwege blockieren – statt sie zu öffnen.

Wie platziert man die Zunge richtig?

Legen Sie die Zungenspitze direkt hinter die oberen Schneidezähne und entspannen Sie die restliche Zunge entlang des Gaumens. Ein Trick: Sagen Sie das Wort „the“, halten Sie die Zunge an den Zähnen und entspannen Sie sie dann nach oben.

Was für Tape sollte man verwenden?

Nur medizinisches, atmungsaktives Pflaster in schmalen Streifen (etwa 5 cm). Kein Paketband, kein Gewebeband! Ziel ist nicht das Abdichten des Mundes, sondern sanfte Unterstützung. Der Mund sollte sich im Notfall problemlos öffnen lassen.

Kann Mouth Taping gefährlich sein?

Ja – insbesondere bei unerkannten Erkrankungen wie Schlafapnoe, verstopfter Nase oder Reflux. In solchen Fällen kann das Verschließen des Mundes zu Atemnot oder Erstickungsgefahr führen. Deshalb gilt: Erst mit einem Facharzt sprechen!

Hilft Mouth Taping wirklich gegen Schnarchen?

Das hängt von der Ursache ab. Bei leichtem, durch Mundatmung verursachtem Schnarchen kann es hilfreich sein. Doch Schnarchen kann auch anatomische oder medizinische Ursachen haben – und dann ist eine ärztliche Diagnose entscheidend.

Informationsquelle: who . int